Paul Julius Kleiber

Die Sprache der stillen Linien und freien Bögen

Reise

von Michale Antenberg am 19. Oktober 2015, keine Kommentare

Paul Julius Kleiber reiste 1972 für zwei Tage nach Venedig zur Biennale. Es war, ganz untypisch für Kleiber, eine spontane, ungeplante Reise. Er hatte auch im engsten Freundeskreis niemandem davon erzählt. Vielleicht geschah es aus der Angst heraus sich als Zaungast empfinden zu müssen und sich vor die Frage gestellt zu sehen, warum er denn nicht mit eigenen Werken in Venedig vertreten sei. Eine Frage, die auf der Hand lag, und die durch seine Reise in die Lagunenstadt nur noch deutlicher in den Raum gestellt wurde. Es ist nicht bekannt und aufgrund der Quellenlage wohl heute auch nicht mehr herauszufinden, ob Kleiber, der Carlo Scarpa gut kannte, jemals den Gedanken in sich trug, sich um die Möglichkeit einer Teilnahme zu bemühen.

Im Skitzbuch Kleibers finden sich unter dem Datum des Anreisetages eine ganze Reihe von Skitzen zum Linienprojekt. Nur einige wenige dieser Entwürfe und kurz eingefangenen Inspirationen hat er später ausgearbeitet.

Die „Zerknittert Linie von der anderen Seite“ wollte Kleiber nicht als Ausdruck von Frustration oder Enttäuschung verstanden wissen, das hat er in Gesprächen oft betont. Auch sei in den vielfachen Windungen der Linie im unteren Teil der Grafik nicht eine Anspielung auf die Kräuselungen der Wasseroberfläche der venezianischen Lagune zu sehen. Um derartigen Assoziationen vorzubeugen bat Kleiber seinen Galleristen bei der Präsentation des Werkes den Entstehungsort der ersten Skizzen, der sich auf der Rückseite verzeichnet findet, nicht in den Katalog aufzunehmen. Gleichwohl hat sich für die sich um dies Linie gruppieren Grafiken bei Kleiber der Name „Venedig Projekt“ etabliert. Im Original erhalten ist nur „Die zerknittert Linie der anderen Seite.“ Sie hing viele Jahre im Büro von Kleibers erstem römischen Galeristen. Erst 1992 kam das Werk, als Schenkung in die Collezione Lambertio.