Paul Julius Kleiber

Die Sprache der stillen Linien und freien Bögen

Austausch

von Michale Antenberg am 22. August 2014, keine Kommentare

Im Jahr 1918 lernte Paul-Julius Kleiber auf einem Symposium an der Technischen Hochschule München den gleichaltrigen, ungarisch stämmigen Architekten und Maler Fred Forbát kennen. Forbát studierte gerade in München Architektur. Nach seinem Abschluss arbeitete Forbát als Assistent von Walter Gropius. Kleiber und Forbát, beide an klaren Formen interessiert, diskutierten in München über die Prinzipien der Entwicklung von Gestaltung und Form. Forbát lud Kleiber darauf in den Sommermonaten nach Budapest ein. Sie reisten über Wien, wo Kleiber damals wohnte und auch sein Atelier hatte. Kleiber war im Jahr zuvor erstmals mit seinem Linienprojekt an die Öffentlichkeit getreten und es ist davon auszugehen, dass er mit Forbát darüber gesprochen hat. Sicherlich zeigte er ihm auch in Wien seine neuesten Entwürfe. Wie Forbát zum dem Projekt stand, ist nicht bekannt. Sicher aber ist, dass Kleiber auch in Budapest weiter an dem Projekt arbeitete. Die Linien Nr. 45, 46, 47, 48 und 49 sind mit „Budapest 1918“ datiert und damit eindeutig der Sommerferienreise zuzuordnen. Auffällig ist, dass die Linien 45 und 46 eine gänzlich andere Anmutung wie die Linien 47, 48 und 49 haben. Linie Nr. 45 und 46 sind vom Charakter, obwohl als Produkt der Budapester Studien bezeichnet, doch in Form und Gestus sehr den Wiener Linien verpflichtet. Die Linien 47, 48 und 49 haben, die Bezeichnung stammt vom Sammler Hauser, und ist durch eine Notiz belegt, die er sich nach dem Erwerb der Linien machte, eher einen „ungarischen Charakter“. Sie seien, so notierte Hauser in seinem penibel geführten Erwerbsbuch, von der durchreisten Landschaft inspiriert. Ob diese Interpretation richtig ist und ob sie Kleiber bekannt war, ist aufgrund der Quellenlage heute nicht mehr festzustellen. Ungewöhnlich ist in jedem Fall die Form der von Kleiber vorgenommenen Nummerierung, pflegte er doch in der Regel die Nummerierung seiner Linien so zu wählen, dass durch die Ziffernfolge kein sinnstiftender Zusammenhang hergestellt wurde. In diesem Fall werden stilistisch eindeutig unterschiedlichen Auffassungen zuzuordnende Linien in eine aufeinanderfolgende Reihe gestellt. Das ist spannend und weist darauf hin, in welcher Spannbreite Kleiber schon in diesen frühen Jahren sein Linienprojekt angelegt wissen wollte.