In den Tagebucheintragungen der Jahre 1912 bis 1915 finden sich bei Paul Julius Kleiber viele Einträge, die sich mit der Wirkung des Eindrucks, der Landschaft auf seine Wahrnehmung beschäftigen. Er spricht an einer Stelle von einer „Topographie der Bewußtseinspunkte“. In dem Tagebuch von 1913 findet sich ein großer eingelegter Bogen, auf dem er mit kleiner Schrift die Orte, die für ihn „erinnerungsprägend“ waren, wie auf einer Landkarte angeordnet, eingetragen hat. Teilweise finden sich dazu auf dem Bogen in kleiner Schrift Bemerkungen und Notizen. Die Ortsnamen sind mit der feinen Tuschefeder geschrieben, mit der er auch viele seiner Zeichnungen gefertigt hat, die Anmerkungen dagegen sind mit unterschiedlichen Bleistiften verfasst. Das legt die Vermutung nahe, dass er an dieser „Karte der Erinnerungsorte“, wie er das Blatt überschrieben hat, länger und immer wieder gearbeitet hat. Vielleicht war sie ihm auch Vorlage für die angedachte, aber nie umgesetzte, Ordnung seiner grafischen Notizen und Zeichnungen. Die Zeichnung von 1913, nach der Ortsangabe der Datierung in den drei Wochen seines Nizza-Aufenthalts im Früjahr 1913 entstanden, hat, wie so oft bei ihm, gleich zwei Titel. “Eine Linie” und “Halb aufrecht sitzende Schönheit vor Meeresbarndung”. Sie zeigt sehr schön die Spannung von Abstraktion und Abbildung, und den Versuch der sich auf das Wesentliche konzentrierenden Dokumentation von Sineseindrücken, die in dieser Zeit für Kleiber so prägend ist. In dieser Zeichnung wird dann schon das sichtbar, was sich später im Zylkus der sinnbefreiten Linien als für lange Zeit prägendes Element des Schaffens Kleibers Bahn brechen wird.
Eindruck
von Michale Antenberg am 8. März 2014, keine Kommentare